Forschung
BE:LONGING
Die Immigrationsliteratur definiert Integration meist als Chancengleichheit von Einwanderer*innen und deren Kindern. Häufig werden objektive, sprich messbare, Integrationskriterien dafür verwendet, Schlussfolgerungen über die subjektive Integration oder das Zugehörigkeitsgefühl zu ziehen. Dieses Zugehörigkeitsgefühl – der Maßstab für Integration – ist in der Immigrationsliteratur kaum theoretisiert. Allgemeinere Konzeptualisierungen von Zugehörigkeit, wie zum Beispiel die der urbanen und feministischen Wissenschaftler*innen, beziehen sich nicht nur auf Einwanderer*innen und Geflüchtete. Sie beschreiben Zugehörigkeit als weit relationaler und fluide als die Immigrationsliteratur. Durch ihren Fokus auf lokale (anstatt nationale) Zugehörigkeit analysieren Wissenschaftler*innen die (temporäre) Exklusivität oder Inklusivität öffentlicher und privater Räume sowie meist genderspezifische homemaking Praktiken im Alltag.
Mit Hilfe eines transkulturellen Vergleichs zwischen Bielefeld, Nordrhein-Westfalen und Detroit, Michigan, analysiert dieses Projekt, wie irakische Geflüchtete Zugehörigkeitsgefühle in postindustriellen Städten entwickeln. Theoretisch schließt die Studie eine Lücke in der Immigrationsliteratur, in dem sie eine Konzeptualisierung von Zugehörigkeit entwickelt, die auf den emotionalen Erfahrungen Geflüchteter basiert. Empirisch beleuchtet das multi-methodologische Projekt, wie unsere Gesellschaft diejenigen unterstützen kann, die entwurzelt wurden. Die Ergebnisse der Studie werden in dem Buch BE:LONGING (NYU Press) veröffentlicht.
Geographies of Trauma
Die sexuelle Belästigung von Frauen während der Kölner Silvesternacht 2015 durch hauptsächlich nordafrikanische Asylsuchende gilt als Wendepunkt in der deutschen Flüchtlingsdebatte. Vor allem aber wurde Köln zum Katalysator einer merkwürdigen Allianz zwischen der Neuen Rechten und konservativen Feminist*innen, die die Vorfälle fortan als Beweis für die angebliche Frauenfeindlichkeit männlicher Muslime anführten. Anhand einer Diskursanalyse zweier rechter Zeitungen (Junge Freiheit und Preußische Allgemeine Zeitung), eines rechten Blogs (Politically Incorrect News) sowie der feministischen Zeitschrift Emma, analysiert dieses Projekt, wie diese scheinbar paradoxe Annährung stattfinden konnte. Auf theoretischer Ebene weisen die Ergebnisse auf die ausgeprägte räumliche Logik in Anti-Geflüchteten-Narrativen hin. Empirisch zeigt sich, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der augenscheinlich neutralen juristischen Definition von Geflüchteten unumgänglich ist.
Two Worlds Colliding
Im Vergleich zu segregierten Umgebungen, erscheinen gemischte Stadtviertel oft als Hoffnungsschimmer. Allerdings gibt es nur wenige Studien, die hinter die Kulissen eines vielfältigen Viertels blicken. Diese Fallstudie der kulturell und wirtschaftlich gemischten Wohngegend Sheridan Park in Chicago, Illinois verdeutlicht, was uns Interaktionen (oder deren Abwesenheit) im Zusammenspiel mit der physischen Umgebung über die andauernden Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen lehren können. Durch ethnografische Observationen und unstrukturierte Interviews mit Anwohner*innen zeigt dieses Projekt, dass selbst marginalisierte Individuen, die weiterhin in ihren Wohnungen verbleiben, trotzdem symbolisch vertrieben werden können. Da für überwiegend weiße Bewohner*innen vor allem People of Color nicht willkommen sind, werden diese aus ihrer eigenen Nachbarschaft ausgegrenzt. Diversität darf also nicht mit Integration verwechselt werden.